Gewählt haben wir eine anspruchsvolle Route abseits der viel begangenen „Klassiker“, aber gespickt mit alpinen Highlights: Die Tour beginnt am Königssee in Deutschland, am Fuße des sagenumwobenen Watzmann und führt vorbei am kältesten Ort Deutschlands (Funtensee), über das „Steinerne Meer“ nach Österreich. Dort geht es in den kommenden Tagen weiter entlang des Großglocknermassivs, mit 3.798 m der höchste Berg Österreichs, in die unberührten Villgrater Alpen. Von hier führen weitere Anstiege schließlich zum krönenden Abschluss, dem Übergang nach Italien in eine der beeindruckendsten Bergwelten der Alpen, die Dolomiten.
Warum haben wir diese Route gewählt?
Erstens: Wir wollen die Alpen überqueren, das ist ja das Besondere! Eine sogenannte Alpen-Traversale ist keine Gipfel- oder Grat-Wanderung, sondern folgt Jahrtausende alten Pfaden, die die Menschen seit jeher nutzen, um den 150-200 km breiten Hauptalpenkamm in Nord-Süd-Richtung zu überqueren. Früher waren die Motive der Menschen für eine Alpen-Durchquerung vielfältig: Es hatte religiöse, ökonomische oder militärische Gründe, jedoch niemals Freizeit-Charakter! Die ersten beiden Etappen verlaufen auf der Jahrhunderte alten, höchstgelegenen Wallfahrt Europas, vom Kloster St. Bartholomä am Königssee über das Steinerne Meer nach Maria Alm in Tirol. Die Etappen vom dritten bis fünften Tag folgen alten römischen Handelspfaden, die schon die Römer für den Warentausch nutzten, um Gewürze oder Tücher vom Mittelmeer nach Nordeuropa zu bringen und auf dem Rückweg wertvolle Bodenschätze wie z. B. Salz nach Süden zu transportieren. Mir wird bewusst, dass wir auf Wegen gehen, die noch bis vor ca. 150 Jahren die einzigen Nord-Süd-Verbindungen durch die Alpen waren. Alles musste auf diesen Wegen zu Fuß und mit Lasten-Tieren mühsam über die Berge geschafft werden! Was für eine Leistung!
Zweitens: Wir suchen eine abwechslungsreiche Route. Diese Tour führt uns durch vollkommen unterschiedliche Gebirgsformationen - vom Wasser bizarr ausgewaschenes Kalkgestein im „steinernen Meer“, hoch aufgeschobenes Urgestein und Granit rund um den Großglockner sowie von Erosion geprägte, senkrechte Felsformationen des Dolomit-Gesteines. Genau solch eine Hochgebirgsroute auf bis zu 2.800 m Höhe ermöglicht Ausblicke, die einem den Atem rauben. Aber Achtung: Ausdauer, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind auf dieser Tour ein „Muss“, denn wir wandern an jedem der sieben Tage mindestens sechs bis acht Stunden und bewältigen dabei durchschnittlich 1.000 Höhenmeter pro Tag!
Drittens: Wir wollen nicht im Hotel übernachten, sondern eine echte Hütten-Tour gehen und alles Gepäck selbst transportieren. Ohne fremde Hilfsmittel mit eigenen Mitteln die Welt erkunden. Viele Hütten sind nur zu Fuß erreichbar, alles muss von Menschenhand dorthin transportiert werden. Uns Bergwanderern wird plötzlich klar, was wir häufig vergessen: Wasser, Nahrung, Getränke und ein warmes und trockenes Nachtlager sind absolut keine Selbstverständlichkeit, es wird nach einer schweißtreibenden Wanderung zum puren Luxus! Wir wollen die Natur wirklich spüren und raus aus der Komfort-Zone der Zivilisation. Ich bin sicher: nur so lassen sich die Größe der Berge, die inspirierende Kraft der Bergwelt und auch die archaischen Naturgewalten unmittelbar richtig erleben.